Wie reagieren Mitarbeiter auf maximale Transparenz?

© panthermedia.net / Aleksander Krsmanovic

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Aleksander Krsmanovic

PrecisionMobile beschäftigt in Süd-China 14.000 Mitarbeiter mit der Herstellung von Mobiltelefonen. Diese Fabrik ist damit die zweitgrößte Fabrik dieser Art weltweit.

Bernstein und sein Team führten ihre Studie über die Wirkung von Transparenz in einem Bereich durch, in dem 16 Fertigungslinien die gleichen Produkte herstellten. Damit jede Linie von der anderen Linie lernen kann, ist Transparenz eines der obersten Ziele des Managements. Deshalb stehen alle Linien in einer Halle. Während der Studie wurde jede Linie in zwei Schichten betrieben, sodass insgesamt 32 Teams an diesen Linien arbeiteten. Für das Experiment wurden zwei Linien, mit insgesamt vier Teams zufällig ausgewählt.

Um den Effekt von Transparenz auf die Leistung der Mitarbeiter zu testen, wurde eine Linie durch einen Vorhang von den anderen Linien abgetrennt. Damit arbeiteten jetzt zwei der 32 Teams hinter einem Vorhang. Die Produktivität wurde in hergestellte fehlerfreie Stück pro Stunde gemessen. Die Linie hinter dem Vorhang wurde mit der einen Kontroll-Linie vor dem Vorhang (weiter in Sicht der anderen Linien) verglichen. Über beide Schichten ergab die Produktivitätsmessung die folgenden Ergebnisse:

Produktivität

Fazit: Die Produktivität hinter dem Vorhang war höher als die Produktivität vor dem Vorhang. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass zu hohe Transparenz der Produktivität schadet.

Warum stieg die Produktivität mit reduzierter Transparenz?

Bei der Untersuchung wurden drei wesentliche Gründe hierfür identifiziert:

  1. Die Abgrenzung sicherte Freiraum zur Optimierung. Das Team begann Probleme gemeinsam zu lösen, anstatt sofort Unterstützung anzufordern. Übrigens stellte das Team die Produktivitätsanzeige vor den Vorhang, damit die Vorgesetzten sehen konnten, dass die Linie auf Zielkurs war.
  2. Die Abgrenzung gab den Mitarbeitern die Möglichkeit Ideen auszuprobieren, ohne sie vorher mit dem Management diskutieren zu müssen. Die Mitarbeiter meinten, wenn sie Verbesserungen offiziell testen wollten, dann müssen sie vorher in endlosen Diskussionen den 6S-Verantwortlichen, den Qualitätsleuten und dem Fertigungsleiter erklären, was sie konkret vorhaben. Dank des Vorhangs konnten kleinere Tests, ohne zu fragen, durchgeführt werden.
  3. Die Abgrenzung reduzierte die Anzahl der Störungen von außen. Durch den Vorhang waren weniger Personen an der Linie vorbeigekommen, die die Mitarbeiter in nicht wertschöpfende Gespräche und Diskussionen verwickelten. Aber sie haben nicht nur die Mitarbeiter in Gespräche verwickelt, sondern dabei auch noch mit den Materialien und Produkten an der Linie gespielt. Die Maschinenbediener mussten deshalb immer einen Teil ihrer Aufmerksamkeit in die Beobachtung der „ungebetenen“ Gäste stecken.

Da diese Studie in China durchgeführt wurde, stellt sich die Frage, ob die Erkenntnisse auch auf Deutschland übertragbar sind. Was meinen Sie? Wir meinen die Punkte 1-3 lassen sich auch in einer deutschen Fabrik finden.

Was bedeutet dies für Industrie 4.0?

Wie viel Freiraum haben Ihre Mitarbeiter, Prozesse zu verändern?

Ist es in Ihrem Unternehmen auch leichter um Vergebung zu bitten, als um Erlaubnis?

Welche nicht-wertschöpfenden Personen dürfen bei Ihnen die wertschöpfenden Bereiche in Diskussionen und Gespräche verwickeln?

Durch die Möglichkeit sämtliche Daten in Ist-Zeit zu überwachen, steigt die Transparenz über den Leistungsgrad jedes wertschöpfenden Prozesses. Wir wirkt sich dies auf die Bereitschaft der kontrollierten Mitarbeiter aus, ihre Prozesse weiter zu entwickeln?

Ressourcen:
Bernstein, E. (2012): The Transparency Paradox: A Role for Privacy in Organizational Learning and Operational Control, Administrative Science Quarterly 57(2), p. 181-216.

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