
Auf das Ende der Covid19-Pandemie folgt die Diskussion über die Zukunft des mobilen Arbeitens. Stand während der Pandemie die Reduktion von Kontakten im Mittelpunkt, geht es jetzt um die Aushandlung eines funktional möglichen Umfangs. Bei welchen Tätigkeiten ist mobiles Arbeiten möglich? Bei welchen Tätigkeiten ist hingegen die Präsenz vor Ort erforderlich?
Eine von den Mitarbeitern als unfair empfundene Einschränkung der Freiheit zum mobilen Arbeiten führt zur Demotivation. Die emotionale Bindung zum Unternehmen sinkt. Die Gefahr für Absentismus und Fluktuation steigt. Eine faire Regelung basiert auf eine von den Mitarbeitern nachvollziehbare Bewertung des künftig möglichen Umfangs mobilen Arbeitens.
Die Konstanzer Wissenschaftler Florian Kunze und Adrian Bidlingmaier entwickelten anhand einer Fallstudie bei der LBS Landesbausparkasse Südwest einen Mobile Work Potential Score.
Der Mobile Work Potential Score
Ob eine Tätigkeit für mobiles Arbeiten geeignet ist, hängt gemäß der Untersuchung an vier Kriterien:
- Digitalisierbarkeit: Sind die Arbeitsprozesse der Tätigkeit überhaupt digital durchführbar? Können alle Tätigkeiten digital erledigt werden? Oder für welchen Anteil ist die Präsenz im Unternehmen erforderlich? Neben der Art der Tätigkeit, können im Einzelfall auch Rechtsnormen oder Datenschutzvorschriften die Nutzung der Arbeitsmittel vor Ort erfordern. Digitalisierbarkeit ist ein Killerkriterium. Digitalisierbarkeit ist die Voraussetzung für mobiles Arbeiten.
- Autonomie: Wie selbständig kann die Tätigkeit durchgeführt werden? Hier wird sowohl die Entscheidungsfreiheit des Mitarbeiters, die Freiheit bei der Gestaltung des Arbeitstages und die Reihenfolge der Bearbeitung einzelner Aufgaben betrachtet.
Je größer die Autonomie, desto geeigneter ist die Tätigkeit für das mobile Arbeiten. - Zusammenarbeit intern: Wie relevant ist der tägliche fachliche Austausch zwischen den Mitarbeitern oder mit dem Vorgesetzten? Wie wichtig ist dabei auch der informelle Austausch innerhalb des Teams? Während sich der offizielle Austausch digital organisieren lässt, fällt der informelle Austausch beim mobilen Arbeiten häufig unter den Tisch. Je wichtiger der informelle Austausch, desto wichtiger sind regelmäßige Präsenztage.
- Zusammenarbeit extern: Ist für die Tätigkeit ein Austausch mit externen Kooperationspartnern oder Kunden wichtig? Wie häufig ist dieser Austausch? Ist für die Bindung zum externen Partner ein persönliches Vertrauensverhältnis wichtig? Oder kann der Austausch überwiegend digital erfolgen? Je wichtiger der persönliche Kontakt, desto wichtiger werden Präsenztermine mit externen Schnittstellen. Damit wird der Umfang mobilen Arbeitens eingeschränkt.
Durchführung der Bewertung
Die Akzeptanz der Bewertung hängt an der Art und Weise, wie diese zustande kam. Je höher die Prozessgerechtigkeit, desto höher die Akzeptanz. Sie steigern die Prozessgerechtigkeit und damit die Akzeptanz, indem Sie Ihre Mitarbeiter an der Bewertung ihrer Tätigkeiten beteiligen. Vielleicht ist sogar eine gemeinsame Bewertung im Rahmen eines kleinen Workshops möglich. Bei sehr großen Teams können Sie eine repräsentative Bewertungsgruppe zusammenstellen. Beziehen Sie bei der Bewertung auch Ihren Betriebsrat mit ein.
Ihre Umsetzungshilfen
UH57: Handlungsspielräume einräumen
UH85: Wie führen Sie Ihre Mitarbeiter im Home-Office?
Uh87: Ihr professioneller Auftritt im Home-Office
Ressourcen
Kunze, F. und Bidlingmaier, A. (2022): Evidenzbasierte Transformation zu einer mobilen Arbeitswelt, Eine Fallstudie an der LBS Landesbausparkasse Südwest. Zeitschrift für Führung + Organisation, 91. Jg., Nr. 6. S. 391-394.